Immerhin gemeinsam ist aber all diesen doch, dass kaum jemand von ihnen ohne eine Wasserflasche oder eine Blechbüchse mit einem undefinierbaren chemischen Gebräu unterwegs ist und die Wasserflaschen haben oft diesen Nuggiaufsatz. Wahrscheinlich sind die Halbwüchsigen und viele andere auch entwicklungsmässig in der oralen Phase steckengeblieben. In gewissen Schulen ist es obligatorisch, dass die Schüler eine Flasche Wasser auf dem Pult haben und wer will, kann jederzeit vom Platz aufstehen und zum Wasserhahn laufen, auch während Prüfungen.
Es scheint die Meinung zu herrschen, dass es lebensgefährlich ist, wenn man nicht alle paar Minuten einen Schluck Flüssiges zu sich nimmt. Dass die Menschheit bis dato überlebt hat, scheint nachgerade reinem Glück zu verdanken sein. Wie schafften die das nur in den verflossenen Jahrtausenden ohne permanente Bewässerung, z.B. auf der Jagd durch Steppen und Wüsten?
Giessen, Bäntal bei Kollbrunn, Tösstal (Koordinaten 47°27’50.89’’ N / 8°48’25.50’’ O)
Anderthalb Liter oder auch zwei oder drei soll ein erwachsener Mensch täglich trinken. Das wurde zum Dogma. Ich weiss nicht, wer diese Meinung in die Welt gesetzt hat. Ärzte? Firmen, die mit Wasser ihr Geld verdienen? Es ist bekannt, dass Firmen, die Wasser verkaufen, die beste Lobby aller Zeiten haben, denn sie haben es geschafft, dass wir für teures Geld Wasser kaufen, wo wir es doch gratis am Wasserhahn im Haus in beliebiger Menge zur Verfügung hätten. Es gibt kein vergleichbares Produkt, das uns kostenlos zur Verfügung steht, es aber verschmähen und zu einem greifen, das nicht besser ist, aber kostet.
Aber was hat es denn auf sich mit diesem unsäglichen Trinkbefehl? Wieviel soll ein Mensch wirklich täglich trinken und soll das jeder und jede tun müssen? Auf www.compleducation.ch gibt es ein Kapitel ‘Ernährung’. Da finde ich Expertinnen in Sachen TCM-Ernährung und bat sie um ihre Meinung und sie antworteten prompt und einhellig. Ihre Stellungnahmen ergeben eine abgerundete, schlüssige und übereinstimmende Haltung der TCM. Wer mehr erfahren will, wende sich direkt an sie.
«In der klassischen Ernährungslehre bei uns im Westen wird es folgendermassen definiert (nach SGE = Schweizer Gesellschaft für Ernährung):
35ml/ kg Körpergewicht oder 1ml/ Kcal pro Tag. Da gilt für alle dasselbe.
In der TCM gibt es solche generellen Empfehlungen nicht. Der Indikator, ob genug oder zu wenig getrunken wird, ist die hellgelbe Farbe des Urins, also nicht zu dunkel und konzentriert, aber auch nicht wie Wasser. Man sollte regelmässig über den Tag genügend trinken und sich nicht zum Trinken zwingen (sofern die Urinfarbe stimmt). Hat eine Person bereits viel Feuchtigkeit und Schleim aus TCM-Sicht im Körper, dann braucht sie automatisch weniger Flüssigkeit und hat auch weniger das Bedürfnis zu trinken, weil ja bereits viel «Wasser» im Körper vorhanden ist. Grundsätzlich kann man es falsch machen, d.h. man kann zu viel oder zu wenig trinken, beides ist nicht sinnvoll. Aus der Schulmedizinischen Sicht gibt es diese Art von «zuviel» nicht wie in der TCM. Trinkt jemand mit Feuchtigkeit im Körper extra 2-3 Liter/ Tag, weil sie eben das Gefühl hat, viel Trinken sei gesund, dann kann das aus Sicht der TCM negativ sein, weil sich dadurch die Problematik der Feuchtigkeit und des Schleims noch verstärkt oder z.B. auch die Niere «zu fest im Wasser» ist, dann können sich dadurch auch die Symptome des Patienten verstärken und es erschwert einen guten Behandlungsverlauf. Auf der anderen Seite, wenn die Person ständig zu wenig trinkt, dann kann sich dadurch die Trockenheit verstärken, z.B. Verstopfung, trockene Haut, trockene Schleimhäute etc.
In der heutigen Zeit sind wir oft gesteuert von dem, was wir hören und lesen und Gewisse sind im Gesundheitswahn gefangen, statt dass sie auf ihren Körper und dessen Bedürfnisse hören.
Fazit: Es ist wichtig, dass wir genügend trinken, aber was genügend ist, das kann ganz individuell sein.»
Teil 1 Haben Sie heute schon genug getrunken?
Sind es feste Trinkgewohnheiten, die Sie zum Wasserglas greifen lassen oder erinnert Sie eine App auf dem Smartphone daran, dass es Zeit ist zu trinken? Viel Trinken ist wichtig, so der allgemeine Tenor und die Frage der optimalen Trinkmenge ist scheinbar leicht zu beantworten. Wem die Empfehlungen dazu auf diversen Internetseiten nicht ausreichen, kann sich Hilfestellung bei einem „Wasserbedarfs Rechner“ holen.
Aber so eindeutig ist es nun doch nicht, denn die Spanne bewegt sich für den gesunden Erwachsenen zwischen 1,5 – 3 l und mehr. Inwieweit Kaffee und andere flüssige Genussmittel dabei angerechnet werden können wird kontrovers gehandhabt. Und auch die Frage, ob eine Suppe oder ein Gurken Smoothie in die Tagesmenge einfließt oder nicht, wird unterschiedlich beantwortet.
Nicht selten werden diverse gesundheitliche Vorteile wie Gewichtsreduktion, kognitive Leistungsfähigkeit oder schöne Haut durch eine relativ hohe Flüssigkeitsaufnahme in Aussicht gestellt. Dieser durch die Medien unterstützte „Druck“ zeigt Wirkung, denn Menschen mit jederzeit griffbereiter Wasserflasche oder stylischer Thermotasse gehören mittlerweile zum Bild in der Öffentlichkeit.
Inwieweit helfen uns wissenschaftliche Empfehlungen unseren persönlichen Flüssigkeitsbedarf zu bestimmen? 30 – 40 ml Flüssigkeit pro kg Körpergewicht, so die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (1), sollten demnach von einem gesunden Erwachsenen täglich aufgenommen werden. 2,2 - 2,8 l Flüssigkeit ergibt sich daraus rechnerisch für eine Person mit 70 kg Körpergewicht, besondere Lebenssituationen sind dabei unberücksichtigt. Geht man davon aus, dass ca. 300 ml täglich durch Stoffwechselvorgänge bereitgestellt werden, reduziert sich die empfohlene Flüssigkeitsaufnahme entsprechend, wobei auch dieser Wert der weiteren wissenschaftlichen Abklärung bedarf. Konsens herrscht weitestgehend hinsichtlich der empfohlenen Getränke. Wasser, ungesüßte Frucht- und Kräutertees stehen auf der Liste ganz oben.
Yamada et al. haben auf der Basis einer internationalen Studie mittels Isotopen-Tracking (²H) Methode bemerkenswerte Ergebnisse formuliert, die unsere bisherigen Empfehlungen zur Flüssigkeitszufuhr als oberflächlich erscheinen lassen. Die gesamte Wasserzufuhr und -abgabe (Wasserumsatz WT) variierte in Abhängigkeit von vielen Faktoren, darunter Körpergröße, körperliche Aktivität, Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Höhe. Zusätzlich zeigte sich, dass Menschen, die in Ländern mit einem niedrigen Index der menschlichen Entwicklung (HDI) lebten einen höheren Wasserumsatz hatten als Menschen in Ländern mit hohem HDI. (2)
Trotz der Vielzahl an Ratschlägen zur Flüssigkeitszufuhr sind evidenzbasierte Empfehlungen derzeit schwierig abzugeben und weitere Forschungsarbeit notwendig.
Teil 2 Trinken Sie, weil Sie Durst haben?
Hat man im alten China auf das Bauchgefühl des Gesunden vertraut und deshalb konkrete Mengenangaben zur täglichen Flüssigkeitszufuhr nicht umfangreich thematisiert? Qualitative Überlegungen standen anstelle der heutigen quantitativen Empfehlungen im Vordergrund und somit finden sich in alten Quellen vielfältige Informationen zur energetischen Wirkung von Getränken bzw. den Zutaten.
Die individuelle Betrachtung des Menschen in der TCM ist auch bei der Flüssigkeitszufuhr hilfreich. Die persönlichen Trinkgewohnheiten sagen viel über die jeweilige energetische Situation aus. Fragestellungen wie „Trinken Sie, weil Sie Durst haben?“, „Welche Getränke bevorzugen Sie?“ oder „Trinken Sie gerne Kaltes/Warmes?“ liefern aufschlussreiche Informationen. Das Bild vervollständigt sich, wenn wir Lebensstil (Arbeit, Sport, …), Klima oder die Neigung zum Schwitzen bzw. Farbe/Geruch des Urins etc. einbeziehen.
Aus Sicht der Chinesischen Medizin bergen pauschalisiert und eine wissenschaftliche Absicherung suggerierende Aussagen zum Trinken, diverse „Fallen“ in sich. Hierzu einige wenige Beispiele:
Mangelndes Durstgefühl kann mit einer Ansammlung von Nässe/Schleim in Zusammenhang stehen. Werden durch ein „Trink Training“ große Mengen an (kaltem) Wasser oder kühlenden Tees aufgenommen, dann kann dies zu einer Verschlechterung der bestehenden Situation führen.
Die Empfehlung, zur Gewichtsreduktion vor jeder Mahlzeit ein großes Glas Wasser zur Füllung des Magens zu trinken, ist aus Sicht der TCM kontraproduktiv. Unter Umständen führt dies langfristig zu einer weiteren Steigerung des Gewichts und zu einer Schwächung der Mitte.
Bei einer bestehenden (Milz)-Qi-Schwäche oder einer Yang-Leere kann der Konsum von 2-3 l energetisch kühlendem Wasser oder physikalisch kaltem Wasser den Status Quo weiter verschlechtern.
Ungesüßte/gesüßte Früchtetees sind häufig sehr sauer. Da der saure Geschmack mengenabhängig Einfluss auf den Qi- und Blutfluss hat und viele der verwendeten Zutaten energetisch kühlen, ist die allgemeine Empfehlung (siehe Teil 1) kritisch zu betrachten.
Ungesüßte Kräutertees stehen in westlichen Empfehlungen ebenfalls hoch im Kurs. Dabei wird nicht beachtet, dass auch sie energetisch relevante Wirkungen haben, die in Abhängigkeit von der Menge zum Tragen kommen. So ist ein regelmäßig getrunkener Ingwertee bei einer Hitzeproblematik kontraproduktiv, während er bei Kälte der Mitte hilfreich sein kann.
Weitgehend unberücksichtigt bleibt in der gesamten naturwissenschaftlichen Betrachtung, dass Nahrung (fest und flüssig) im Zusammenspiel mit einer intakten Mitte die elementare Basis für die Bildung von Yin ist. Suppen, saftige Gemüsegerichte, Kompotte etc. gelten als hilfreiche Zubereitungen, um Yin, Blut und Körperflüssigkeiten bilden zu können und tragen neben Getränken zur Hydratisierung des Körpers entscheidend bei.
Suchen Sie einen einfachen Zugang zum Thema Flüssigkeitszufuhr, der Ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigt? Die Ernährung der Chinesischen Medizin bietet hierzu unkomplizierte Konzepte an.
Die TCM setzt Vertrauen in die Signale des Körpers.
Die allgemeine Empfehlung ist, nur nach Verlangen zu trinken und den Organismus und damit die Nieren nicht mit einer übermäßigen Flüssigkeitszufuhr zu belasten.
Personen mit einer Yang Konstitution, Feuer Zuständen, Qi Stase oder Leere Hitze werden ein ganz natürliches Durstgefühl entwickeln, um die innere Hitze oder das innere Feuer zu löschen.
Mit der Unterscheidung, dass Personen die zu Fülle Hitze neigen, meist sehr viel kalte oder sogar eisgekühlte Getränke auf einmal in sich hineinschütten können. Personen mit Leere Hitze aufgrund von Blut- oder Yin Mangel, werden zwar ebenso ein Bedürfnis nach kalten Getränken entwickeln, aber immer nur schluckweise trinken.
Wenn eine Person rote Lippen hat, vor allem trocken und rot, wird sie durstig sein.
Denn dies ist ein sicheres Merkmal für einen heißen Magen.
Hingegen werden Personen mit einer Yin Konstitution, im Sinne von Yang Mangel, Kälte Zuständen, Feuchtigkeits Ansammlung im Körper, nicht durstig sein.
Aus Sicht der TCM, müssen oder sollten diese Personen auch nicht viel trinken, da es keine Hitze zu kühlen oder Trockenheit zu befeuchten gibt. Ganz im Gegenteil, zu viel Flüssigkeit könnte das Nieren Qi abkühlen bzw. verletzen.
Interessant ist jedoch, dass bei uns im Westen sehr viele Personen überhaupt nicht mehr wissen ob sie durstig sind oder nicht, da sie sich einfach an vorgeschriebene Trinkmengen halten.
Sehr häufig ist die Antwort auf die Frage nach dem Durst: „ich weiß, ich sollte mehr trinken“.
Die TCM Empfehlung lautet: Trinke nur nach Verlangen - dein Körper signalisiert dir was er braucht!
Cave: Vorsicht ist jedoch bei alten Menschen geboten. Diese haben sich ihr natürliches Durstgefühl häufig abtrainiert, da ihnen das zur Toilette gehen zu anstrengend geworden ist.
Auf www.compleducation.ch sind die TCM-Ernährungs-Expertinnen, die sich oben zum Thema Trinken äusserten, mit weiteren interessanten Beiträgen vertreten und ihre Kurse finden Anklang.
Complemedis dankt Pascale Barmet, Vera Splinter und Ina Diolosa für Ihre Erläuterungen ganz herzlich.
Ein Wasserfall in unwegsamem Gelände irgendwo zwischen Monte Brè und Cureggia
Severin Bühlmann und Ihr Complemedis-Team
*Den Ausdruck Nuggizapfe habe ich dem Chasperlitheater Nr. 8 (de Giizgnäpper im Pfluumewäldli / De flüügend Esel) von Ines Torelli, Paul Bühlmann und Jörg Schneider entlehnt. Eine bleibende Erinnerung.
Aus rechtlichen Gründen ist der Zugang zu diesem Artikel medizinischen Fachpersonen vorbehalten. Bitte loggen Sie sich hier ein:
Ihr Zugang wurde vom Support noch nicht freigeschaltet. Wir werden die Funktion schnellstmöglich aktivieren.